Biologische Wertigkeit



Vom Ansatz her sind einige biologischen Verfahren zur Ermittlung der Biologischen Wertigkeit genauer als die Berechnung nach chemischen Formeln. So sollen auch Einflüsse wie die Bioverfügbarkeit, d. h. die Verdaulichkeit der Proteine und die Freisetzung der darin enthaltenen Aminosäuren, berücksichtigt werden. In aufwendigen Bilanzversuchen muss dann die Fähigkeit des zu bewertenden Proteins ermittelt werden, wie viel des zusätzlich benötigten Eiweißes im Eiweißstoffwechsel mit diesem ersetzt werden kann. Schauen wir uns hierzu die wichtigsten biologischen Formeln zur Ermittlung der Proteinqualität genauer an.


5. Biologische Wertigkeit (BW)

Thomas entwickelte 19091 eine Methode zur Bewertung der Proteinqualität in Lebensmitteln. Er verwendete für seine Methode den Begriff "Biologische Wertigkeit", der sich im Laufe der Zeit auch allgemein zum Synonym für die Qualität eines Nahrungseiweißes etablierte. Mitchell vervollständigte dann 19242 die Berechnungsmethode zur klassischen Definition der Biologischen Wertigkeit:


Biologische Wertigkeit=
Nauf,T - (Nfäk,T - Nfäk,R) - (Nuri,T - Nuri,R)
Nauf,T - (Nfäk,T - Nfäk,R)
x 100

 Nauf,T = aufgenommener Stickstoff von Test-Nahrungseiweiß
 Nfäk,T = fäkal ausgeschiedener Stickstoff von Test-Nahrungseiweiß
 Nfäk,R = fäkal ausgeschiedener Stickstoff von Referenz-Diät ohne Eiweiß
 Nuri,T = urinal ausgeschiedener Stickstoff von Test-Nahrungseiweiß
 Nuri,R = urinal ausgeschiedener Stickstoff von Referenz-Diät ohne Eiweiß


Der Aufbau der Formel zeigt, wie bei der Bestimmung der Biologischen Wertigkeit in den durchzuführenden Bilanzversuchen vorgegangen werden muss, um entsprechende Werte zu erhalten. Zum besseren Verständnis lässt sich die gleiche Formel aber auch so ausdrücken:


Biologische Wertigkeit=
retinierter N
absorbierter N
x 100

 N = Stickstoff


Die klassische Biologische Wertigkeit stellt das mit 100 multiplizierte Verhältnis aus retiniertem Stickstoff zu absorbiertem Stickstoff dar und ergibt damit einen prozentualen Wert, der auch hier, mathematisch nicht korrekt, ohne Prozentzeichen angegeben wird. Um die Ausdrücke "retinierter Stickstoff" und "absorbierter Stickstoff" besser verstehen zu können, betrachten wir die Abläufe im Körper nun etwas genauer.

 

Wie wird Eiweiß verdaut?

Das über die Nahrung aufgenommene Eiweiß wird im Verdauungstrakt mithilfe von Enzymen aufgespalten, damit überhaupt erst Aminosäuren ins Blut gelangen können. Sind nämlich die Peptidketten zu lange, können die Aminosäuren die Darmwand nicht passieren, weil sie, einfach gesagt, zu sperrig dafür sind. Es können nur freie Aminosäuren, Di- und Tripeptide, also zwei oder drei aneinander gekettete Aminosäuren mit sogenannten Carriern (Transportsysteme) in die Blutbahn des Darms gelangen. Die Menge an enthaltenem Stickstoff in diesen, von der Darmwand absorbierten Aminosäuren stellen den in der Formel anzugebenden absorbierten Stickstoff dar.

Tatsächlich aber stammen die ins Blut aufgenommenen, absorbierten Aminosäuren nicht nur aus der Nahrung, sondern auch zu einem nicht unerheblichen Teil aus körpereigenem Eiweiß aus Verdauungssäften, Darmflüssigkeiten und abgestorbenen Zellen der Magen- und Darmschleimhäute, welche bei der permanent ablaufenden Regeneration ständig erneuert werden. Anzumerken bleibt auch, dass nicht alles im Magen- und Darmtrakt befindliche Eiweiß vollständig vom Körper absorbiert werden kann, sondern je nach physiologischen Umständen ein gewisser Teil als Verlust ungenutzt ausgeschieden wird.

 

Was passiert im Eiweißstoffwechsel?

Im Eiweißstoffwechsel des Körpers werden in den Zellen ständig körpereigene Proteine abgebaut und wieder neu aufgebaut. Dabei werden diese Proteine in ihre einzelnen Bestandteile, in freie Aminosäuren zerlegt. Diese Aminosäuren stehen nun der Zelle als Baumaterial frei zur Verfügung und bilden einen Aminosäuren-Pool, aus dem anschließend neue, körpereigene Proteine synthetisiert werden. Dieser Vorgang wird auch als Proteinbiosynthese bezeichnet. Dabei ist jedoch der Wirkungsgrad kleiner als 100 %, d. h. es reichen die beim Abbau gewonnenen freien Aminosäuren, welche wiederverwendet werden, nicht aus, um die neue Eiweißstruktur komplett aufzubauen. Deshalb ist ständig eine Zufuhr von neuem Baumaterial in Form von Nahrungseiweiß notwendig. Die ins Blut übergegangenen Aminosäuren der Nahrung gelangen nun in die Zellen und stellen so dieses fehlende Baumaterial zur Verfügung. Damit ersetzt das Nahrungseiweiß einen Teil körpereigenen Proteins. Die in diesem Teil körpereigenen Proteins enthaltene Menge Stickstoff ist der in der Formel verwendete zurückgehaltene, d. h. retinierte Stickstoff.

 
Struktur der DNS

Abbildung 11: Struktur der DNS, die Proteinbiosynthese erfolgt anhand der Codierung in der DNS.


Bei der Betrachtung des Eiweißstoffwechsels wird klar, dass es überaus wichtig ist, stets hochwertiges Eiweiß mit der Nahrung aufzunehmen, damit immer ausreichend Aminosäuren zur Retention zur Verfügung stehen. Denn kann der Bedarf an Aminosäuren nicht über die Nahrungszufuhr gedeckt werden, dann ist der Körper gezwungen aus seinem aktiven Körpergewebe, der Muskulatur, diese Aminosäuren durch gezielten Muskelabbau freizusetzen.


Welche Einflüsse werden berücksichtigt?

Bei der Berechnung der klassischen Biologischen Wertigkeit fällt auf, dass hier, durch Vergleich der retinierten zur absorbierten Stickstoffmenge, die Verdaulichkeit eines Nahrungsproteins keine Berücksichtigung findet, im Gegensatz zu anderen biologischen Formeln. Deutlich wird auch, dass bei den biologischen Formeln ein Nahrungseiweiß um so höher in seiner Qualität bewertet wird, je ähnlicher sein Aminosäurenprofil im Vergleich zum benötigten Aminosäurenprofil des Eiweißstoffwechsels ist. Tierische Eiweiße sind dem menschlichen Eiweiß in der Regel ähnlicher als pflanzliche Eiweiße, wodurch tierische Eiweiße damit in der Regel auch höhere Biologische Wertigkeiten aufweisen.


Wie erfolgt die Bewertung?

Die Bewertung der Proteinqualität wird letztlich in Bilanzstudien ermittelt, dies erfolgt meist in Versuchen mit Tieren, aber auch in Humanstudien. Um standardisierte Werte zu erzielen, bezieht sich die klassische Biologische Wertigkeit auf ein Referenzprotein, nämlich auf Hühner-Volleiprotein. Volleiprotein hat somit, laut Definition, eine Biologische Wertigkeit (BW) von 100. An diesem Wert orientieren sich folglich alle anderen Proteinquellen, die nach dieser Berechnung bewertet werden sollen. Selbstverständlich entspricht bei Volleiprotein die tatsächlich retinierte Stickstoffmenge nicht der absorbierten Stickstoffmenge. Korrekterweise sollte die Formel zur Berechnung aus diesem Grund einen Korrekturfaktor erhalten.

Die klassische Biologische Wertigkeit (BW) gibt schließlich an, wie viel des absorbierten Nahrungsproteins im Eiweißstoffwechsel zu neuem, körpereigenem Eiweiß aufgebaut werden kann, im Vergleich zu Volleiprotein.


Biologische Wertigkeit (BW) für einige Lebensmittel

Lebensmittel

Biol. Wertigkeit (BW)

Molkenprotein

104

Hühner-Volleiprotein

100

Kuhmilch

91

Rindfleisch

80

Casein

77

Sojaprotein

61

Tabelle 2: Biologische Wertigkeit (BW) einiger Lebensmittel (Gerdes, Sharon K., überarbeitet von Kenney, Audrey, U. S. Whey ingredients and weight management, U. S. Dairy Export Council, 2003, S. 2)


Welche Bedeutung hat die klassische Biologische Wertigkeit?

Die Einführung der klassischen Biologischen Wertigkeit fand Anfang des letzten Jahrhunderts statt, dies zeigt bereits, dass in der Zwischenzeit zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen und bessere sowie einfachere Methoden gefunden wurden, um die Qualität eines Nahrungsproteins zu bestimmen.

Erforderliche Bilanzversuche sind kostspielig und zeitaufwendig und können z. B. aus ethischen Gründen nicht an Kindern als Zielgruppe durchgeführt werden, weshalb auf verfälschende Tierversuche zurückgegriffen werden musste.3 Nachteilig ist auch, dass die Verdaulichkeit bei dieser Methode nicht berücksichtigt wird.

Aufgrund einiger Aspekte ist dieses Verfahren, wie viele andere auch, heutzutage nur noch von untergeordneter Bedeutung. Dennoch finden sich vereinzelt immer noch Angaben nach dieser Methode.



weitere biologische Formeln



Literaturnachweis

1. Henderickx, H., Zeitschrift für Ernährungswissenschaft, Steinkopff, 1963, S. 158.
2. Henderickx, H., Zeitschrift für Ernährungswissenschaft, Steinkopff, 1963, S. 158.
3. WHO, Technical Report Series No. 552, Energy and protein requirements, 1973, S. 64.



Abkürzungen

BW - (klassische) Biologische Wertigkeit
WHO - World Health Organization, zu Deutsch: Weltgesundheitsorganisation








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Abbildung Bio-Siegel der EU

Codenummer der Kontrollstelle: DE-ÖKO-037
EU-Landwirtschaft

Abbildung einer 1000 g Dose 100 % Bio Whey Protein

Bio Whey Protein besitzt eine
Biologische Wertigkeit von BW 104